Was bedeutet das denn nun?
Gar nicht so selten wird beim Abhören des Herzens im Rahmen einer Routineuntersuchung z.B. vor dem Impfen oder vor der Sedierung zur Zahnbehandlung ein Herzgeräusch festgestellt. Das ist natürlich erst einmal beunruhigend: eine Auffälligkeit am Herzen, dem zentralen Organ für die Aufrechterhaltung des Blutkreislaufs und damit für die Versorgung des gesamten Körpers? Doch glücklicherweise heißt das nicht zwangsläufig, dass ein gravierendes Problem dahinter stecken muss. Und viele Pferde mit einem Herzgeräusch können weiterhin, teilweise bis ins hohe Alter, geritten werden.
Da Symptome einer Herzschwäche beim Pferd jedoch in der Regel erst im Endstadium der Erkrankung auftreten und schon zuvor von einem möglicherweise erheblichen Risiko für Pferd und Reiter:in ausgegangen werden muss, sollte in den meisten Fällen zu einer weiteren Abklärung bzw. zu regelmäßigen Kontrolluntersuchungen geraten werden.
Im Folgenden gehe ich ein bisschen genauer auf Häufigkeit und Ursachen von Herzgeräuschen ein, außerdem auf die diagnostischen Möglichkeiten und die Beurteilung im Hinblick auf die Nutzung des Pferdes.
Inhaltsverzeichnis
Definition Herzgeräusch
Bei der Herzauskultation eines gesunden Pferdes sind in der Regel 2 Herztöne hörbar: der 1. (sog. Muskelton) und der 2. Herzton (sog. Klappenton). Der 3. Herzton, der beim Einstrom des Blutes in die Hauptkammern entsteht, ist meist nicht hörbar. Der 4. Herzton (sog. Vorhofton) ist meist gemeinsam mit dem 1. zu hören, teilweise jedoch auch kurz zuvor, sodass von einem sog. gespaltenen 1. Herzton gesprochen wird.
Ein Herzgeräusch ist ein herzsynchrones, zusätzlich zu den physiologisch hörbaren Herztönen auftretendes Geräusch. Dabei kann es sich um ein pathologisches (krankhaftes) oder um ein sogenanntes funktionelles Geräusch handeln. Funktionelle Geräusche können z.B. in Zusammenhang mit anderen Erkrankungen wie Kolik, Fieber oder Anämie auftreten oder auch vorübergehend bei Aufregung oder Belastung.

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Häufigkeit, Ursachen und diagnostische Abklärung von Herzgeräuschen
Bei ca. 20 % aller Pferde und Ponys kann ein Herzgeräusch festgestellt werden, das ist das Ergebnis mehrerer wissenschaftlicher Untersuchungen.
Die häufigste Ursache für Herzgeräusche beim erwachsenen Pferd sind Herzklappeninsuffizienzen, d.h. ein mangelnder Schluss der jeweiligen Herzklappe. Dieser entsteht meist durch degenerative Veränderungen, seltener spielen entzündliche Prozesse eine Rolle. Dadurch kommt es zu einer verminderten Elastizität und damit zur Schlussunfähigkeit der betroffenen Herzklappe. Das Abhören des Herzens ermöglicht meist bereits eine Vermutung, welche Klappe(n) betroffen ist (sind). Allerdings kann häufig keine bzw. nur eine eingeschränkte Aussage über den Schweregrad der zugrundeliegenden Veränderung getroffen werden, daher ist in den allermeisten Fällen eine weitere Abklärung mittels Herzultraschall, ggf. in Kombination mit weiteren Untersuchungen erforderlich.
Die Entscheidung, ob ein betroffenes Pferd weiter als Reitpferd (oder auch Fahr-, Voltigierpferd, …) genutzt werden kann, begründet sich nicht allein auf den Ergebnissen der Ultraschalluntersuchung. Hier fließen sowohl die klinische Untersuchung in Ruhe, ggf. ein EKG (Elektrokardiogramm) sowie eine Untersuchung während und nach Belastung mit Erfassung der Wiederberuhigungszeit mit ein. Letztere allerdings nur, wenn aufgrund der Ruheuntersuchung nichts gegen eine Belastung des Pferdes spricht (keine Anzeichen einer klinisch manifesten Herzschwäche, keine erhöhte Herzfrequenz in Ruhe, keine anderen gesundheitlichen Probleme).
Eine Aussage darüber, wie lange genau eine Herzklappeninsuffizienz schon besteht, ist mittels Echokardiographie leider nicht möglich. Hier kann in Einzelfällen der individuelle Vorbericht Rückschlüsse zulassen.
Deutlich seltener werden angeborene Herzmissbildungen wie z.B. ein Defekt in der Herzscheidewand als Ursache eines Herzgeräusches gefunden. Auch in solchen Fällen ermöglicht die Ultraschalluntersuchung in der Regel eine eindeutige Diagnose sowie eine Aussage zum Schweregrad sowie zu einer möglichen Auswirkung auf die Belastbarkeit des Pferdes.

Therapie und Management
Eine Behandlung von Herzklappeninsuffizienzen mit dem Ziel, diese zu beseitigen ist beim Pferd nicht möglich. Die Gabe von ACE-Hemmern kann zu einer moderaten Reduzierung des Schweregrades der Insuffizienz führen und den weiteren Verlauf eventuell günstig beeinflussen. Dabei ist zu beachten, dass es sich um eine Dauertherapie mit entsprechenden Kosten und Konsequenzen (Dopingrelevanz) handelt. Zudem sind die eingesetzten Medikamente für das Pferd nicht zugelassen, dürfen somit nur an Pferde verabreicht werden, die im Pferdepass als nicht zur Schlachtung bestimmt gekennzeichnet sind.
Was das Management angeht, ist bei uneingeschränkt nutzbaren Pferden tägliche Arbeit auf einem gleichbleibendem oder nur langsam gesteigerten Level als deutlich günstiger anzusehen als sporadische Bewegung bei womöglich sehr unterschiedlichen Anforderungen (z.B. nur am Wochenende und dann aber die Galoppstrecke, die so Spaß macht).
Prognose
Die Prognose ist stark abhängig von der gestellten Diagnose, sprich welche Klappe wie stark betroffen ist und inwiefern Veränderungen der Herzdimensionen vorliegen bzw. davon, ob bereits klinische Anzeichen einer Herzschwäche oder begleitende Auffälligkeiten im EKG bestehen. Grundsätzlich sind isolierte gering- bis mittelgradige Insuffizienzen der Herzklappen ohne Dimensionsveränderungen hinsichtlich einer weiteren Leistungsfähigkeit meist als weniger kritisch anzusehen. Trotzdem ist eine genauere Einschätzung der individuellen Prognose nur mittels sonographischer Verlaufsuntersuchungen möglich – je nach Schweregrad der Befunde im Abstand von mehreren Monaten bis Jahren.
Fazit
- Etwa bei einem Fünftel der Pferde sind Herzgeräusche durch Herzklappenveränderungen feststellbar.
- Da Pferde ein extrem leistungsfähiges Herz-Kreislauf-System haben, können sie Veränderungen am Herzen lange kompensieren. Daher treten für Besitzer:innen/Reiter:innen offensichtliche Symptome meist erst spät im Verlauf der Erkrankung auf, bereits vorher kann ein erhebliches Risiko für Mensch und Pferd bei Belastung bestehen.
- Eine genaue Abklärung der Ursache sowie eine Einschätzung des Schweregrads sind nur durch eine eingehende kardiologische Untersuchung inklusive Herzultraschall möglich.
- Die individuelle Langzeitprognose kann in der Regel nur mittels regelmäßiger Verlaufskontrollen eingeschätzt werden.
- Das Gute: ein großer Teil der Pferde mit einem Herzgeräusch kann weiterhin geritten werden und hat auch keine verminderte Lebenserwartung.
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