Oder: Warum es so wichtig ist, Equines Asthma (EA) frühzeitig zu erkennen und betroffene Pferde optimal zu managen.
Die Aussage aus dem Titel habe ich so oder so ähnlich in den letzten Wochen diverse Male gehört, daher möchte ich sie im folgenden Blogartikel aufgreifen und auf das Thema Husten beim Pferd eingehen. Denn, um eine Sache vorwegzunehmen: es ist nicht normal, wenn ein Pferd zu Beginn der Bewegung hustet! Auch nicht, wenn es nur 1 x ist!
Inhaltsverzeichnis
Auch nach vielen Berufsjahren in der Pferdemedizin begegnet mir immer wieder die Auffassung, dass vereinzeltes Husten zu Beginn des Reitens oder Longierens, aber auch nach dem ersten Loslaufen auf der Koppel oder beim Aufstehen nach dem Wälzen – alles typische Situationen, halt normal ist. So wie bei uns Menschen eben, die wir ja auch manchmal husten müssen, wenn wir – gerade im Winter – einen kurzen Sprint hinlegen mussten oder aus anderen Gründen etwas tiefer atmen müssen und vielleicht kurz zuvor etwas erkältet waren und daher noch verschleimt sind.
Bei unseren Pferden weist dieses immer mal wieder vorkommende vereinzelte Husten aber in aller Regel auf eine ernstzunehmende Erkrankung der Atemwege hin, von der leider nicht wenige Pferde (laut Studien bis zu 80% aller Pferde) betroffen sind. Nämlich das sogenannte Equine Asthma, früher bekannt unter diversen anderen Begriffen, z.B. COB (Chronisch Obstruktive Bronchitis) oder COPD (Chronic Obstructive Pulmonary Disease), RAO (Recurrent Airway Obstruction) oder IAD (Inflammatory Airway Disease). Umgangssprachlich wird das Equine Asthma häufig als Heustauballergie bezeichnet, früher auch als Dämpfigkeit.
Ich will an dieser Stelle gar nicht in epischer Breite auf die Erkrankung Equines Asthma an sich eingehen, sondern ganz gezielt auf 3 essentiell wichtige Punkte:
- Warum ist es so wichtig Equines Asthma frühzeitig zu erkennen?
- Wie kannst Du als Pferdebesitzer:in erkennen, ob Dein Pferd betroffen ist?
- Was kannst Du tun, um die Lebensqualität und Leistungsfähigkeit Deines Pferdes zu erhalten?
Vorab aber trotzdem ein paar kurze Fakten zu Husten und anderen Anzeichen von Atemwegserkrankungen beim Pferd …
Husten beim Pferd
Husten ist eines der Symptome von Equinem Asthma, kann aber natürlich auch auf andere Erkrankungen hinweisen. Ganz wichtig ist mir jedoch nochmal zu betonen, dass Husten immer ernst genommen werden sollte. Denn diese „normale Erkältungszeit“ im Herbst/ Winter wie bei uns Menschen gibt es in diesem Sinne bei unseren Pferden nicht. Klar, es gibt Atemwegsinfekte, die durch Viren und Bakterien ausgelöst werden, und ebenfalls zu Husten führen können. Charakteristischerweise haben die Pferde dann aber häufig andere eindeutige Symptome, die auf einen Infekt hinweisen: zum Beispiel ein gestörtes Allgemeinbefinden. D.h. sie sind schlapp und haben vielleicht weniger Appetit. Außerdem ist Fieber ein wichtiges Anzeichen eines Infektes. Und Nasenausfluss, der bei viralen Infekten in der Regel wässrig klar ist, oder aber eitrig bei bakteriellen Infektionen der Atemwege. Auch eine beschleunigte Atmung und geschwollene Lymphknoten sind möglich. Wichtig ist, dass all diese Symptome in der Regel nach wenigen Tagen wieder abklingen und nach spätestens 2-3 Wochen weitestgehend verschwunden sein sollten (immer ein bißchen abhängig davon, wie schwerwiegend der akute Infekt war).
Zeigt ein Pferd allerdings über mehrere Wochen Husten, auch wenn es nur vereinzelt ist, ohne dass noch Symptome einer akuten Infektion vorliegen, dann sollten alle Alarmglocken klingeln, denn das deutet auf ein chronisches Problem hin, und dann sollten wir dringend genauer hinschauen.
Warum ist es so wichtig, Equines Asthma frühzeitig zu erkennen?
Equines Asthma ist eine chronische Lungenerkrankung, die in verschiedenen Schweregraden vorkommen kann:
- mild = Leistungsmangel ohne weitere klinische Symptome
- moderat = Leistungsmangel und leichte klinische Symptome wie gelegentliches Husten
- schwer = deutliche Symptome bereits in Ruhe (beschleunigte, angestrengte Atmung, Bauchatmung, Husten, usw.)
An der Entstehung sind verschiedene Faktoren beteiligt, d.h. es handelt sich um ein multifaktorielles Geschehen. Dabei spielt die Staubbelastung der Atemluft eine große Rolle. Selbst Heu bester Qualität enthält immer auch eine gewisse Menge Schimmelpilzsporen. Aber auch spezifische Allergene, irritierende Substanzen (z.B. Schadgase) und genetische (erbliche) Faktoren spielen eine Rolle.
Es kommt zu einer Überempfindlichkeit (Hyperreagibilität) der Atemwege mit vermehrter Produktion von zähem Schleim, einer Verengung der Bronchien und einer entzündlichen Schwellung der Schleimhaut in den tiefen Atemwegen.
Und weshalb ist nun die frühzeitige Erkennung so wichtig?
Weil es im Rahmen des Erkrankungsprozesses, insbesondere mit zunehmendem Schweregrad zu teils irreversiblen Umbauprozessen im Lungengewebe kommt. Das heißt, diese Umbauprozesse können nur teilweise durch Behandlung und Managementmaßnahmen wieder rückgängig gemacht werden. Das heißt, je früher Du als Besitzer:in die Anzeichen erkennst und entsprechend reagierst, umso besser sind die Aussichten, einen schweren Verlauf zu verhindern und Deinem Pferd ein Leben ohne deutliche gesundheitliche Einschränkungen zu ermöglichen.
Wie kannst Du als Pferdebesitzer:in nun erkennen, ob Dein Pferd betroffen ist?
In den vorherigen Abschnitten habe ich ja schon einige Anzeichen erwähnt, die auf ein Equines Asthma hinweisen können. Ich gehe jetzt aber nochmal etwas genauer darauf ein, worauf Du achten solltest.
Anhand der Einteilung in die verschiedenen Schweregrade ist ersichtlich, dass die milde Form sehr schwer erkennbar ist. Sie zeigt sich nämlich nur durch Leistungsabfall unter Belastung ohne weitere Symptome. Bei den meisten Freizeitpferden wird dieser Leistungsabfall zudem gar nicht bemerkt, da er erst bei stärkerer Belastung auftritt. Und stärkere Belastung heißt wirklich anspruchsvolle körperliche Belastung: schwere Springprüfungen, Vielseitigkeit oder Rennsport, vielleicht noch Distanzreiten, wenn es um die langen Distanzen geht. Und selbst wenn der Leistungsabfall bemerkt wird, ist es nicht immer ganz einfach. Denn dahinter können auch noch etliche weitere Erkrankungen stecken, allen voran Probleme im Bereich des Bewegungsapparates. Dies heißt aber wiederum: bei einem Leistungsabfall ohne erkennbare andere Ursache, sollte immer die Lunge mit abgeklärt werden. Auch wenn es keine eindeutigen Symptome wie Husten oder angestrengte Atmung gibt.
Umso wichtiger ist es, sporadisch auftretenden Husten ernst zu nehmen! Denn er tritt eh erst bei der moderaten, also bereits weiter fortgeschrittenen Form des Asthmas überhaupt auf. Daher nochmal (ich wiederhole mich schon wieder, aber das ist egal 😉): jeglicher Husten bei Deinem Pferd, der nicht eindeutig im Rahmen eines Infekts auftritt und danach wieder völlig verschwunden ist, ist ein Grund für eine weiterführende Abklärung der Atemwege! Du solltest also in diesem Fall Deine Tierärztin oder Deinen Tierarzt für eine Untersuchung konsultieren. Diese:r wird den Vorbericht abfragen und das Pferd zunächst klinisch untersuchen. Dazu vielleicht ein kurzer Einwurf, da ich immer wieder erlebe, dass das Abhören der Lunge häufig als DER wichtigste Teil der Untersuchung angesehen wird, was ich ein bisschen relativieren möchte. Ja, die Lungenauskultation, wie es in der Fachsprache heißt, ist ein Bestandteil der Untersuchung. Und ja, wenn sie deutliche Auffälligkeiten ergibt, wie z.B. typische Geräusche eines Bronchospasmus („Hiemen und Giemen“), dann ist das hilfreich. Aber: wenn die Lungenauskultation nicht großartig auffällig ist, heißt das definitiv nicht, dass die Lunge sicher in Ordnung ist! Zum einen handelt es sich um eine subjektive Untersuchungsmethode, zum anderen hängt es z.B. sehr vom Ernährungszustand, wieviel man hören kann. Wenn Symptome vorliegen, die auf ein Atemwegsproblem hindeuten, sollte daher auch bei wenig auffälligem Befund beim Abhören der Lunge unbedingt eine weitere Abklärung erfolgen.
Wenn Dein Pferd in Ruhe keine deutliche Atemnot zeigt, ist es zusätzlich zur Ruheuntersuchung sinnvoll, das Pferd etwas zu bewegen, um anschließend den Atemtyp und die Wiederberuhigung der Atemfrequenz beurteilen zu können, zu sehen ob es bei Belastung hustet und um die Lunge bei durch die Anstrengung forcierter Atmung nochmals abzuhören. Bei Pferden, die aufgrund einer Verletzung oder Lahmheit gerade nicht bewegt werden können, kann die forcierte Atmung durch eine sogenannte CO2-Rückatmung erreicht werden. Also auch in diesen Fällen ist eine komplette klinische Beurteilung in der Regel möglich.
Bisher haben wir uns, was die Symptome betrifft vor allem auf den sporadischen Husten und Leistungsabfall konzentriert, aber ich möchte Dir hier noch einen Überblick über weitere Symptome geben, die auf Equines Asthma hinweisen können:

Meist tritt nicht ein Symptom allein auf, sondern es ist eine Kombination aus mehreren Symptomen, die es uns Tierärzt:innen relativ leicht macht, zumindest eine Verdachtsdiagnose zu stellen. Um diese zu sichern, ist in der Regel jedoch eine weiterführende Diagnostik sinnvoll. Dazu gehören in der Regel eine arterielle Blutgasanalyse (verlinken) und eine Endoskopie der Atemwege inklusive Probenentnahme (Tracheobronchialsekret und/oder bronchoalveoläre Lavage (verlinken)). Diese Endoskopie sollte nach Möglichkeit nach einer kurzen Belastung des Pferdes erfolgen. So ist die Wahrscheinlichkeit höher, frisches Sekret in der Luftröhre vorzufinden, das dann entnommen und beurteilt werden kann. Die entnommenen Proben werden meist eingeschickt, sodass es einige Tage dauert, bis das endgültige Ergebnis da ist. Aber trotzdem kannst Du direkt mit den Maßnahmen zur Haltungsoptimierung beginnen …
Was kannst Du tun, um die Lebensqualität und Leistungsfähigkeit Deines Pferdes zu erhalten?
Je nach Ausprägung der Symptome und je nach Untersuchungsergebnissen wirst Du in den meisten Fällen eine Therapieempfehlung erhalten für eine medikamentelle Therapie. Meist wird eine kombinierte Therapie durchgeführt mit Medikamenten, die Entzündungsreaktion in den Atemwegen bekämpfen, die Bronchien weitstellen und den Abtransport des Schleims erleichtern. Diese sollten unbedingt nach tierärztlicher Anweisung gegeben werden (oral oder per Inhalation), auch empfohlene Kontrolluntersuchungen sollten eingehalten werden, um das Ansprechen auf die Therapie überwachen zu können.
Diese Behandlung mit Medikamenten ist aber immer nur eine Akutmaßnahme, die Überempfindlichkeit der Atemwege bleibt dauerhaft bestehen. Das heißt, um Dein Pferd möglichst lange oder im besten Fall dauerhaft symptomfrei und leistungsfähig zu erhalten, ist es essentiell das Fütterungs- und Haltungsmanagement zu optimieren. Und das ist etwas, was Du tun kannst und auch dringend tun solltest. Deshalb gehe ich darauf im folgenden Abschnitt ausführlich ein.
Maßnahmen zur Haltungs- und Fütterungsoptimierung:
- Heu nass füttern (ca. 10 Minuten komplett tunken) oder bedampftes Heu oder Heulage
- Bei ausgeprägter Symptomatik sollte das Kraftfutter ebenfalls möglichst staubarm sein, z.B. Fütterung von ungequetschtem Getreide, melassiertem oder angefeuchteten Kraftfutter
- Einstreu: Stroh ersetzen durch entstaubte Sägespäne, Strohpellets oder Torf
- Ausmisten, Einstreuen und Fegen, wenn die Pferde nicht im Stall sind (Achtung: es dauert mehrere Stunden nach dem Misten, bis die Staubpartikel wieder abgesunken sind)
- Regelmäßiges Misten und Lüften des Stalles
- Pferd nicht im Stall putzen
- Heulagerung nicht in der Nähe der Pferde (auch nicht auf dem Heuboden über den Boxen)
- Viel Frischluft – optimal sind Außen-/ Paddockbox oder Offenstallhaltung
- Möglichst viel Koppelgang
- Im Sommer gegebenenfalls vor dem Reiten Boden von Reithalle oder Reitplatz wässern
- Tägliche Bewegung in allen Gangarten fördert die Schleimlösung und den Sekretabtransport, allerdings immer entsprechend dem aktuellen Befinden > keine Belastung bei deutlich angestrengter Atmung bzw. Atemnot!
Wichtig: in vielen Fällen ist es nötig, die Maßnahmen auch auf die Nachbarpferde oder den gesamten Stall(-teil) auszudehnen, um einen ausreichenden Effekt zu erzielen!
Und ja, ich weiß auch aus eigener Erfahrung, dass das alles sehr aufwendig sein kann, Zeit und Geld kostet und manchmal auch nur ein kompletter Stall- und Umgebungswechsel wirklich Besserung bringt. Aber eine Behandlung mit Medikamenten bringt ohne Managementänderung höchstens eine kurzfristige Verbesserung, und vermutlich wird sich die Lungengesundheit Deines Pferdes trotzdem nach und nach weiter verschlechtern. Das heißt: sowohl aus medizinischer als auch aus finanzieller Sicht ist es deutlich sinnvoller, frühzeitig an diesen Managementstellschrauben zu drehen. Denn dann wird (in den meisten Fällen) nicht ständig wieder eine tierärztliche Untersuchung und Behandlung erforderlich, Deinem Pferd geht es langfristig besser und damit schlussendlich auch Dir als Pferdebesitzer:in.
Zusammenfassung der wichtigsten Punkte
- Husten beim Pferd, auch wenn er nur vereinzelt auftritt, ist immer ein Alarmsymptom!
- Equines Asthma ist mit Abstand die häufigste chronische Lungenerkrankung beim Pferd.
- Es gibt typische Symptome, anhand derer Du erkennen kannst, ob Dein Pferd betroffen sein könnte.
- Eine frühzeitige Diagnostik, Therapie und vor allem Managementanpassung ist wichtig, um Umbauprozesse im Lungengewebe zu minimieren.
- Das Gute: Du kannst und solltest (😉) sehr viel selbst tun, um Dein Pferd möglichst gesund und leistungsfähig zu erhalten!
Hast du weitere Fragen oder möchtest gerne eine individuelle Beratung auf Dein Pferd und Eure spezielle Situation zugeschnitten? Dann schreib mir eine Mail oder vereinbare direkt einen Beratungstermin.